Das Bild an der Schnittstelle zwischen dem Sichtbaren und dem Nicht-Sichtbaren

Donnerstag, 5. April 2018, 14h: Vortrag über das Thema “Das Bild als Schnittstelle zwischen dem Sichtbaren und dem Nicht-Sichtbaren” auf der Tagung „Bild und Negativität“, Institut für Theater-und Medienwissenschaft, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Ort: Philosophisches Seminargebäude, Raum 00.15, Kochstraße 6a, 91054 Erlangen.

Abstract für den Vortrag:

“Wenn Wahrnehmung eine Form von Unterscheidung ist, dann teilt Wahrnehmung die Welt in zwei Teile: nämlich einen beobachteten und bezeichneten Teil, der in der Wahrnehmung wahrgenommen wird und in eine Außenseite der Unterscheidung, die in der Wahrnehmung nicht thematisch wird und latent, unbeobachtet und ausgeblendet bleibt. Durch eine Änderung der Wahrnehmungsunterscheidung kann diese Außenseite jedoch wiederum zur bezeichneten Innenseite einer neuen Wahrnehmungseinstellung werden. Über den Wahrnehmungsmechanismus der Unterscheidung ist auch das Bild in eine Dialektik von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit eingebunden. Jede Beobachtung und Unterscheidung eines bestimmten Details, eines Bildelementes oder eines ganzen Bildes in der Wahrnehmung basiert auf der Ausschließung einer unmarkierten Außenseite (George Spencer-Brown). Der polnische Philosoph Roman Ingarden hat Bilder als schematische Gebilde bezeichnet, die auf der Ebene der bildlichen Darstellung nicht vollständig bestimmt sind. Sie enthält zahlreiche Leerstellen oder Unbestimmtheitsstellen, die vom Betrachter auf eine vom Bild selbst her nicht vorgegebene und nicht verifizierbare Weise durch seine Fantasietätigkeit aufgefüllt werden können. Jede bildliche Darstellung operiert also an der Schnittstelle zwischen dem Sichtbaren und dem Nicht-Sichtbaren, an der das emotional-kognitive System des Betrachters einen Übergang vollzieht von einem physisch-materiellen Objekt zu einer biologisch fundierten, emotional-kognitiven Dynamik. Bilder beginnen und enden also nicht vollständig und ausschließlich im Sichtbaren, sondern sie sind über diese Schnittstellen von Unbestimmtheit mit der Phantasie und dem Wissen bzw. Nicht-Wissen eines Betrachters und seinen Wahrnehmungsunterscheidungen verknüpft.

Auszug aus dem Tagungsexposè:

„Bilder sind stärker als andere Darstellungsformen einer ganzen Reihe theoretischer und praktischer Negationen unterworfen, die von moralischen Tabus und politischer Zensur über religiöse Bilderverbote und -stürmereien bis zu philosophischen Verurteilungen reichen. Während zu diesen Zusammenhängen bereits eine große Anzahl von Forschungsbeiträgen vorliegt, ist jedoch weniger gut untersucht, ob Bilder auch selbst negieren können.“ (Expose)

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