3 Fragen (Wozu Bildwissenschaften?)


First Installation: 13.05.2000 Last update: 13.05.2000


Stefan Heidenreich: Nachdem Matthias Bruhn am 29.4. unter "Definition /Anfangsdebatte" einen brauchbaren BildbegriffsKompromiss als Schichtenmodell vorgeschlagen hat, ist immer noch fraglich, wozu "Bildwissenschaften" (oder "Bildmedienwissenschaften" - vgl. Ernst am 30.4.) gut sein sollen.
1. Was sollen Bildwissenschaft wissen? (Gibt es einen Kanon? Was ist die Geschichte der Disziplin?)
2. Wie verhält sich Bildwissenschaft zu anderen 'bildnahen' Wissenschaften? (Kunstgeschichte, Informatik vgl. etwa die Aufzählung von W.J.Mitchell in dem Band Bildlichkeit)
3. Wie verhält Bildwissenschaft sich zur Gegenwart bildlicher Kommunikation? (Bildpolitik, Bildtechnologien, "iconic turn", Visualisierung von Wissen)
Vielleicht sind die Fragen zu allgemein, aber von "Bildwissenschaft" zu sprechen, heisst ja doch, an Bildern einen bestimmten Forschungsbedarf zu sehen.

Klaus Sachs-Hombach: Versuch einer kurzen Antwort auf Stefan Heidenreichs Fragen:

Bildwissenschaft verstehe ich analog zur Sprachwissenschaft als eine Disziplin, in der Bilder und Bildverwendungen in allen relevanten Bereichen und Aspekten beschrieben und, soweit möglich, durch geeignete grundlegende Prinzipien erläutert werden. Eine mir erfolgversprechende weitere Grobaufgliederung wäre die in Bildsyntax, Bildsemantik und Bildpragmatik.

Wie verhält sich Bildwissenschaft zu anderen 'bildnahen' Wissenschaften? (Kunstgeschichte, Informatik vgl. etwa die Aufzählung von W.J.Mitchell in dem Band Bildlichkeit) Bilder sind ein überaus komplexes Phänomen, das in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen wichtig ist. Die verschiedenen 'bildnahen' Wissenschaften thematisieren entsprechend in der Regel spezielle Bilder oder spezielle Aspekte von Bildern oder auch spezielle Bildverwendungsweisen. Wird die Auffassung vertreten, dass Bilder *wahrnehmungsnahe Zeichen* sind, liesse sich die Interdisziplinarität der Bildwissenschaft zudem mit dem Hinweis plausibel machen, dass der Bildbegriff selbst semiotische und wahrnehmungspsychologische Momente aufweisen sollte.

Wie verhält Bildwissenschaft sich zur Gegenwart bildlicher Kommunikation? (Bildpolitik, Bildtechnologien, "iconic turn", Visualisierung von Wissen)

Wie von jeder Wissenschaft würde ich auch von der Bildwissenschaft erwarten, dass sie Prinzipien ihres Gegenstandes formuliert, die zunächst ein besseres Verständnis der aktuellen Erscheinungen erlaubt und sodann deren Einsatz verbessert.

Wolfgang Ernst: Die Magdeburger Arbeiten zu Bildyntax, semantik und -pragmatik beeindrucken mich sehr. Ist nicht dennoch, parallel dazu, eine Bild(medien!)wissenschaft denkbar, die gerade nicht analog zur Sprachwissenschaft operiert, und dementsprechend nicht linguistisches Vokabular, sondern das der Signaltechniken wählt?

Klaus Sachs-Hombach: Mir scheint, dass das Vokabular der Signaltechnik (ich nehme an, dass etwa Shannons Kommunikationstheorie gemeint ist) nur eine sehr eingeschränkte Beschreibung der Bildkommunikation erlaubt. Es ist mir z. B. ganz unklar, wie etwa Probleme der Bedeutungskonstitution bei Bildern mit diesem Vokabular erfasst werden können. Damit will ich aber nicht bestreiten, dass Bilder einen solchen Aspekt besitzen und dass dieser (wohl vor allem in der Informatik) weitere Betrachtung verdient.
Kurze Nachfrage: Verstehen Sie unter "Medium" das jeweilige physische Substrat (etwa die elektrischen Impulse), mittels dem Nachrichten übermittelt werden? Wäre eine "Bildmedienwissenschaft" dann sind ein Spezialgebiet der Elektotechnik?


Wolfgang Ernst: ... das physische Substrat und dessen spezifische Formatierung (Formen der Kodierung). Die Elektrotechnik deckt die Fragen des materiellen, nicht aber des Kodierungsdispositivs ab. Wäre aber sehr dankbar, wenn Elektrotechniker sich in unsere Diskussion einschreiben könnten.


Hans Dieter Huber