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First Installation: 10.9.2000 Last update: 18.9.2000


Forschungsvorhaben "Visuelle Kompetenz im Medienzeitalter"
Im Rahmen des Förderprogramms "Kulturelle Bildung im Medienzeitalter"
der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung

Laufzeit 1.4.2000 - 31.3.2004

Stichworte Visuelle Kompetenz, Medienkompetenz, Kunsterziehung, Bildende Kunst, Schule, Internet, WWW, Neue Medien, Kunstgeschichte, Kommunikation, Design

Vorhaben
Visuelle Kompetenz an der Schnittstelle Gestaltung ­ Informatik ­ Kommunikation. Anmerkungen zu einer offenen, flexiblen, zukunfts- und arbeitsmarktorientierten Weiterbildungssituation von Künstlern, Kunsterziehern und Kunsthistorikern.

Projektprofil
Das Projekt ist insgesamt auf vier Jahre angelegt und trägt einen spezifisch innovativen und experimentellen Charakter. Aus Gründen der Wissenschaftlichkeit soll zunächst mit Studenten der Fachrichtung Kunsterziehung begonnen werden, die in der zweiten Hälfte ihres Studiums stehen. Sie sollen in verschiedenen Kursformen eine Einführung in Geschichte, Funktion und Technik der verschiedenen Netzdienste erhalten, um darauf in gemeinsamer Projektarbeit und in Einzelarbeit selbst künstlerische Projekte für das Netz zu entwickeln. Zudem lernen sie, Kommunikationskonzepte und didaktische Modelle zu entwickeln, sowie ihre Arbeiten praktisch im Netz oder mit dem Netz zu realisieren. Parallel erfolgt eine kritisch-theoretische Reflexion des Netzes und der Neuen Medien, gemäß den von Karl-Josef Pazzini in seinem Gutachten "Kulturelle Bildung im Medienzeitalter" aufgestellten Grundforderungen, alte mit neuen Medien zu vergleichen und kritisch zu sensibilisieren. Das Ziel ist die Ausbildung einer erweiterten ästhetischen Urteilskraft.
Begleitend erscheinen wissenschaftlich-kritische Texte zu dieser Problematik. In einer zweiten Phase werden die in den ersten beiden Jahren gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse auf weitere Berufsgruppen ausgeweitet. Hierbei wird vor allem an Kunsthistoriker und freie Künstler, sowie an bereits berufstätige Kunstlehrer gedacht, denen während der Ferienzeiten Weiter-bildungskurse angeboten werden.

Herausforderung
Kunsthochschulen sind bis heute nur unzureichend auf die Herausforderungen der Neuen Medien gerüstet, sei es aufgrund fehlender technischer Ausstattung, sei es aufgrund der mangelnden Ausbildung der Lehrenden selbst oder sei es aufgrund der traditionellen Ausbildungsstrukturen. Auf den sich immer deutlicher abzeichnenden Wandel unserer Gesellschaft zu einer Informations- und Mediengesellschaft reagieren künstlerische Ausbildungsformen erst sehr spät. Medienkompetenz, im Speziellen die kommunikative, informatische und gestalterische Kompetenz in der Handhabung von Netzwerken, Datenbanken und medialen Aufbereitungsformen von Wissen und Information ist heute zu einer entscheidenden Schlüsselkompetenz im Wettbewerb um zukunftsträchtige ­ und das heißt sichere ­ Arbeitsplätze geworden. Vor allem die Jugend muss möglichst gut und möglichst schnell auf diesen fundamentalen Wandel durch eine geeignete Ausbildung vorbereitet werden.
Das Forschungsprojekt möchte ein gültiges Fort- und Weiterbildungsmodell im Sinne eines interdisziplinären Bildungsmodelles auf Zeit etablieren. Der innovative Gehalt liegt in der horizontalen Verschränkung und Vernetzung verschiedener Berufsgruppen, Ausbildungsgängen und Altersstufen. Die Arbeit in diesem Modellprojekt wird an einer der entscheidenden interdisziplinären Schnittstellen zwischen visueller und künstlerischer Gestaltung, informatischen Kenntnissen und kommunikativen Schlüsselkompetenzen gelehrt.

Phasen
Zunächst sollen in einer ersten Phase angehende Kunsterzieher eine Zusatzausbildung in der visuellen Medienkompetenz erhalten, die sie dann selbst in einem zweiten Schritt in der Schule, in der sie später lehren werden, weitergeben. Denn angehende Kunstlehrer sind hervorragende Multiplikatoren, da sie ihr Wissen sehr schnell wiederum an viele junge Menschen in der Schule vermitteln können. Hierfür werden curriculare und didaktische Modellsituationen zu entwickeln sein, wie man als Kunsterzieher im Schulalltag mit Kindern und Jugendlichen in den neuen Netzwerktechnologien arbeiten kann.
Als erstes erhalten die Studenten der Kunsterziehung eine praktische Einführung in die Aufstellung, Installation und den Betrieb von Netzwerken in den Betriebssystemen Windows, Macintosh und Linux, sowie eine Ausbildung an der Schnittstelle Visuelle Gestaltung im WWW, Einführung in Programmiertechniken, sowie eine kommunikationstheoretische Schulung. Im Zentrum stehen die persönliche Kompetenz in der Handhabung von Netzwerktechniken, die didaktische Hinführung und Anleitung zur Erarbeitung netzwerkspezifischer Gestaltungsformen im Kunst-unterricht, sowie die kritisch-theoretische Reflexion. Das Forschungsprojekt beschränkt sich keinesfalls auf eine unkritische praktisch-technische Nachqualifizierung von Kunsterziehern. Die Frage nach den benötigten Schlüsselkompetenzen soll von Anfang an integraler Bestandteil der Fragestellung des Forschungs---projekts sein. Bereits jetzt lassen sich folgende Bereiche von Kompetenzen, deren Erwerb angestrebt werden soll, als zentral herauskristallisieren: kommunikativ-argumentative Kompeten-zen; visuelles und sinnlich-anschauliches Urteilsvermögen; praktische Kompetenzen im kommunikativen und technischen Handling von Netzwerken und Netzwerk-strukturen; theoretisch-begriffliches Reflexionsvermögen in gesellschaftlicher, sozialer und politischer Hinsicht über Chancen, Risiken und Gefahren der neuen Netzwerke.
In einer zweiten Phase des Projekts soll der Aufbau von Internetservern in den einzelnen Schulen Baden-Württembergs koordiniert werden und eine enge Nachbetreuung der Kunsterzieher vor Ort erfolgen. Außerdem ist angedacht, gezielte, zeitintensive Fortbildungskurse für interessierte berufstätige Kunsterzieher in den Ferienzeiten oder Wochenenden einzurichten.

Forschung
Die wissenschaftliche Begleitforschung soll von Anfang an parallel in Form von Umfragen und Evaluationen der Lehre durchgeführt werden. Daneben ist eine vertiefende theoretische Forschung angestrebt, welche die Erfahrungen im Projekt auf eine allgemein lehrbare Grundlagenforschung im Kunstbereich zurückführt. Eine Verzahnung zwischen theoretisch-reflexiver Kompetenz und konkret-anschaulicher Erfahrung wird angestrebt. Das Forschungsprojekt soll für Übersetzungsprozesse sensibilisieren, kritisches Forschen, Experimentieren und Produzieren sollen gelehrt werden. Themenfelder der begleitenden Forschung stellen u.a. der Begriff der visuellen Kompetenz, der konkret-anschaulichen Sinnlichkeit von Netzwerken, der Kommunikations- und Organisationstheorie im Zusammenhang elektronischer Netzwerke, der systemischen Theorie des Internets sowie die Erarbeitung fachdidaktischer und kunstpädagogischer Modelle dar. Rückwirkungen der Neuen Medien auf Curricula und Praxis ästhetischer Bilder sind zu untersuchen: ökonomische Zwänge, Kosten für Medien und deren Finanzierung u.v.a..
Forschung und Lehre sollen für die medien-spezifischen Übersetzungsprozesse sensi-bilisieren und auf diese Weise herausfinden, welche Bereiche nicht übersetzbar sind, sozusagen also genuine Bereiche des Mediums darstellen. In den nicht übersetzbaren und nicht kopierbaren Gesichts--punkten liegt die genuine Originalität und Materialität des Mediums. Man müsste die spezifische Medialität des Mediums aufspüren, den Ort wo das Medium ganz es selbst ist und wo es zutage tritt: nämlich in der Störung. Man müsste daher konsequent eine Philosophie der Störung und des Missverstehens entwickeln. Erst in der Störung wird die mediale Gebundenheit neuer Medien sicht-bar: Kabel, die nicht funk-tionieren, sowie Software, die hängt und abstürzt, Thematisierung von Authentizität, Codes von Glaubwürdigkeit und Autorenschaft.
Sämtliche Lehransätze, Modelle, Kurse und Materialien sollen parallel zur Entstehung und Entwicklung des Forschungsprojekts auf einer Website publiziert und der interessierten Forschungsgemeinschaft zur Verfügung gestellt werden. Auf diese Weise sind die Forschungsergebnisse schnell öffentlich zugänglich und es wird jederzeit ein kommunikativer Austausch mit anderen Projekten, die an der selben Fragestellung arbeiten, sowie eine Überprüfung der Forschungs-ergebnisse ermöglicht. Nach der Publikation dieser jeweils ersten Fassung der Ergebnisse im Internet wird eine Printfassung als Sammelband erscheinen.

 

Projektleiter: Prof. Dr. Hans Dieter Huber (fon: 0711/2575-253)
Mitarbeiter/in: Bettina Lockemann, Michael Scheibel (fon: 0711/2575-277)

 

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung:
Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart
z. Hd. Michael Scheibel
Am Weißenhof 1
70191 Stuttgart
fon: 0711/2575-277
fax: 0711/2575-225
mailto: michael.scheibel@abk-stuttgart.de


Hans Dieter Huber