Forschungsvorhaben
"Visuelle Kompetenz im Medienzeitalter"
Im Rahmen des Förderprogramms "Kulturelle Bildung
im Medienzeitalter"
der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung
Laufzeit 1.4.2000 - 31.3.2004
Stichworte Visuelle Kompetenz, Medienkompetenz, Kunsterziehung, Bildende Kunst, Schule, Internet, WWW, Neue Medien, Kunstgeschichte, Kommunikation, Design
Vorhaben
Visuelle Kompetenz an der Schnittstelle
Gestaltung Informatik Kommunikation. Anmerkungen zu
einer offenen, flexiblen, zukunfts- und arbeitsmarktorientierten
Weiterbildungssituation von Künstlern, Kunsterziehern und
Kunsthistorikern.
Projektprofil
Das Projekt ist insgesamt auf
vier Jahre angelegt und trägt einen spezifisch innovativen
und experimentellen Charakter. Aus Gründen der Wissenschaftlichkeit
soll zunächst mit Studenten der Fachrichtung Kunsterziehung
begonnen werden, die in der zweiten Hälfte ihres Studiums
stehen. Sie sollen in verschiedenen Kursformen eine Einführung
in Geschichte, Funktion und Technik der verschiedenen Netzdienste
erhalten, um darauf in gemeinsamer Projektarbeit und in Einzelarbeit
selbst künstlerische Projekte für das Netz zu entwickeln.
Zudem lernen sie, Kommunikationskonzepte und didaktische Modelle
zu entwickeln, sowie ihre Arbeiten praktisch im Netz oder mit
dem Netz zu realisieren. Parallel erfolgt eine kritisch-theoretische
Reflexion des Netzes und der Neuen Medien, gemäß den
von Karl-Josef Pazzini in seinem Gutachten "Kulturelle Bildung
im Medienzeitalter" aufgestellten Grundforderungen, alte
mit neuen Medien zu vergleichen und kritisch zu sensibilisieren.
Das Ziel ist die Ausbildung einer erweiterten ästhetischen
Urteilskraft.
Begleitend erscheinen wissenschaftlich-kritische Texte zu dieser
Problematik. In einer zweiten Phase werden die in den ersten beiden
Jahren gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse auf weitere Berufsgruppen
ausgeweitet. Hierbei wird vor allem an Kunsthistoriker und freie
Künstler, sowie an bereits berufstätige Kunstlehrer
gedacht, denen während der Ferienzeiten Weiter-bildungskurse
angeboten werden.
Herausforderung
Kunsthochschulen sind bis heute
nur unzureichend auf die Herausforderungen der Neuen Medien gerüstet,
sei es aufgrund fehlender technischer Ausstattung, sei es aufgrund
der mangelnden Ausbildung der Lehrenden selbst oder sei es aufgrund
der traditionellen Ausbildungsstrukturen. Auf den sich immer deutlicher
abzeichnenden Wandel unserer Gesellschaft zu einer Informations-
und Mediengesellschaft reagieren künstlerische Ausbildungsformen
erst sehr spät. Medienkompetenz, im Speziellen die kommunikative,
informatische und gestalterische Kompetenz in der Handhabung von
Netzwerken, Datenbanken und medialen Aufbereitungsformen von Wissen
und Information ist heute zu einer entscheidenden Schlüsselkompetenz
im Wettbewerb um zukunftsträchtige und das heißt
sichere Arbeitsplätze geworden. Vor allem die Jugend
muss möglichst gut und möglichst schnell auf diesen
fundamentalen Wandel durch eine geeignete Ausbildung vorbereitet
werden.
Das Forschungsprojekt möchte ein gültiges Fort- und
Weiterbildungsmodell im Sinne eines interdisziplinären Bildungsmodelles
auf Zeit etablieren. Der innovative Gehalt liegt in der horizontalen
Verschränkung und Vernetzung verschiedener Berufsgruppen,
Ausbildungsgängen und Altersstufen. Die Arbeit in diesem
Modellprojekt wird an einer der entscheidenden interdisziplinären
Schnittstellen zwischen visueller und künstlerischer Gestaltung,
informatischen Kenntnissen und kommunikativen Schlüsselkompetenzen
gelehrt.
Phasen
Zunächst sollen in einer
ersten Phase angehende Kunsterzieher eine Zusatzausbildung in
der visuellen Medienkompetenz erhalten, die sie dann selbst in
einem zweiten Schritt in der Schule, in der sie später lehren
werden, weitergeben. Denn angehende Kunstlehrer sind hervorragende
Multiplikatoren, da sie ihr Wissen sehr schnell wiederum an viele
junge Menschen in der Schule vermitteln können. Hierfür
werden curriculare und didaktische Modellsituationen zu entwickeln
sein, wie man als Kunsterzieher im Schulalltag mit Kindern und
Jugendlichen in den neuen Netzwerktechnologien arbeiten kann.
Als erstes erhalten die Studenten der Kunsterziehung eine praktische
Einführung in die Aufstellung, Installation und den Betrieb
von Netzwerken in den Betriebssystemen Windows, Macintosh und
Linux, sowie eine Ausbildung an der Schnittstelle Visuelle Gestaltung
im WWW, Einführung in Programmiertechniken, sowie eine kommunikationstheoretische
Schulung. Im Zentrum stehen die persönliche Kompetenz in
der Handhabung von Netzwerktechniken, die didaktische Hinführung
und Anleitung zur Erarbeitung netzwerkspezifischer Gestaltungsformen
im Kunst-unterricht, sowie die kritisch-theoretische Reflexion.
Das Forschungsprojekt beschränkt sich keinesfalls auf eine
unkritische praktisch-technische Nachqualifizierung von Kunsterziehern.
Die Frage nach den benötigten Schlüsselkompetenzen soll
von Anfang an integraler Bestandteil der Fragestellung des Forschungs---projekts
sein. Bereits jetzt lassen sich folgende Bereiche von Kompetenzen,
deren Erwerb angestrebt werden soll, als zentral herauskristallisieren:
kommunikativ-argumentative Kompeten-zen; visuelles und sinnlich-anschauliches
Urteilsvermögen; praktische Kompetenzen im kommunikativen
und technischen Handling von Netzwerken und Netzwerk-strukturen;
theoretisch-begriffliches Reflexionsvermögen in gesellschaftlicher,
sozialer und politischer Hinsicht über Chancen, Risiken und
Gefahren der neuen Netzwerke.
In einer zweiten Phase des Projekts soll der Aufbau von Internetservern
in den einzelnen Schulen Baden-Württembergs koordiniert werden
und eine enge Nachbetreuung der Kunsterzieher vor Ort erfolgen.
Außerdem ist angedacht, gezielte, zeitintensive Fortbildungskurse
für interessierte berufstätige Kunsterzieher in den
Ferienzeiten oder Wochenenden einzurichten.
Forschung
Die wissenschaftliche Begleitforschung
soll von Anfang an parallel in Form von Umfragen und Evaluationen
der Lehre durchgeführt werden. Daneben ist eine vertiefende
theoretische Forschung angestrebt, welche die Erfahrungen im Projekt
auf eine allgemein lehrbare Grundlagenforschung im Kunstbereich
zurückführt. Eine Verzahnung zwischen theoretisch-reflexiver
Kompetenz und konkret-anschaulicher Erfahrung wird angestrebt.
Das Forschungsprojekt soll für Übersetzungsprozesse
sensibilisieren, kritisches Forschen, Experimentieren und Produzieren
sollen gelehrt werden. Themenfelder der begleitenden Forschung
stellen u.a. der Begriff der visuellen Kompetenz, der konkret-anschaulichen
Sinnlichkeit von Netzwerken, der Kommunikations- und Organisationstheorie
im Zusammenhang elektronischer Netzwerke, der systemischen Theorie
des Internets sowie die Erarbeitung fachdidaktischer und kunstpädagogischer
Modelle dar. Rückwirkungen der Neuen Medien auf Curricula
und Praxis ästhetischer Bilder sind zu untersuchen: ökonomische
Zwänge, Kosten für Medien und deren Finanzierung u.v.a..
Forschung und Lehre sollen für die medien-spezifischen Übersetzungsprozesse
sensi-bilisieren und auf diese Weise herausfinden, welche Bereiche
nicht übersetzbar sind, sozusagen also genuine Bereiche des
Mediums darstellen. In den nicht übersetzbaren und nicht
kopierbaren Gesichts--punkten liegt die genuine Originalität
und Materialität des Mediums. Man müsste die spezifische
Medialität des Mediums aufspüren, den Ort wo das Medium
ganz es selbst ist und wo es zutage tritt: nämlich in der
Störung. Man müsste daher konsequent eine Philosophie
der Störung und des Missverstehens entwickeln. Erst in der
Störung wird die mediale Gebundenheit neuer Medien sicht-bar:
Kabel, die nicht funk-tionieren, sowie Software, die hängt
und abstürzt, Thematisierung von Authentizität, Codes
von Glaubwürdigkeit und Autorenschaft.
Sämtliche Lehransätze, Modelle, Kurse und Materialien
sollen parallel zur Entstehung und Entwicklung des Forschungsprojekts
auf einer Website publiziert und der interessierten Forschungsgemeinschaft
zur Verfügung gestellt werden. Auf diese Weise sind die Forschungsergebnisse
schnell öffentlich zugänglich und es wird jederzeit
ein kommunikativer Austausch mit anderen Projekten, die an der
selben Fragestellung arbeiten, sowie eine Überprüfung
der Forschungs-ergebnisse ermöglicht. Nach der Publikation
dieser jeweils ersten Fassung der Ergebnisse im Internet wird
eine Printfassung als Sammelband erscheinen.
Projektleiter: Prof. Dr. Hans Dieter
Huber (fon: 0711/2575-253)
Mitarbeiter/in: Bettina Lockemann, Michael Scheibel (fon: 0711/2575-277)
Für Rückfragen stehen wir
Ihnen gerne zur Verfügung:
Staatliche Akademie der Bildenden
Künste Stuttgart
z. Hd. Michael Scheibel
Am Weißenhof 1
70191 Stuttgart
fon: 0711/2575-277
fax: 0711/2575-225
mailto: michael.scheibel@abk-stuttgart.de