Hans Dieter Huber
economy is nature. Plamen Dejanov und Swetlana Heger


First Installation: 05.12.1998 Last Update: 30.01.2010


erschienen in schwedischer Sprache in : Paletten (Sweden), 4/98, nr.233, Jahrgang 59, S.26-28 (->schwedische Fassung)

In den letzten Jahren sind die ökonomischen Bedingungen und Möglichkeiten des Kunstmarktes immer stärker ins Bewußtsein von Künstlern, Kritikern und Publikum gerückt. Angefangen von finanziellen Kürzungsbeschlüssen im Kulturbereich über neue Formen des Sponsorentums bis hin zu private-public-partnerships dringen die ökonomischen Bedingungen des Kunstsystems immer stärker ins Bewußtsein der Öffentlichkeit.

Die in Wien lebenden Künstler Swetlana Heger und Plamen Dejanov (DH) sind in diesem Zusammenhang in der internationalen Kunstszene durch einen besonders ungewöhnlichen und neuartigen künstlerischen Ansatz hervorgetreten. 1996 hatten sie in der Ausstellung Junge Szene in der Wiener Secession eine 400x200x2cm große, hellbau lackierte MDF-Platte installiert. Beigelegt war ein Flugblatt, daß Firmen diese Plattform für umgerechnet 1.500 DM pro Woche und Privatpersonen bzw. Künstler für ca. 300.- DM wöchentlich mieten könnten.

 

Plamen Dejanov und Svetlana Heger: "Where The Strange Things are", 1996

Die Wiener Tageszeitung Der Standard mietete die Plattform an und gestattete im Gegenzug den Künstlern, per Annonce in der Zeitung auf die Vermietbarkeit der Plattform aufmerksam zu machen. Diese Form der Präsentation markiert einen besonderen Ort innerhalb der gesamten Ausstellung, nämlich einen Markt. Ein Markt ist der ökonomische Ort des Tausches, an dem sich durch Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage Preisbildung und Tausch vollziehen. Für diejenigen, die die Fläche mieten konnten, wurde gegen Geld direkt ein Bedürfnis befriedigt, nämlich öffentliche Aufmerksamkeit zu erhalten und mit dem Namen einer berühmten Kunstinstitution nobilitiert zu werden. Durch die Vermietung ihrer Ausstellungsfläche an andere Personen wurde die Ausstellungsfläche als ein künstlich knappes Gut, das eine erhöhte Nachfrage erzeugt, zeitweise den Marktbeschränkungen wieder entzogen. Im Prinzip ist eine Austellung für jedermann zu jederzeit möglich, und zwar durch Bezahlung. Damit führen DH in ein System mit einem beschränkten Angebotsmonopol, nämlich dem Ausstellungsraum des Kunstsystems, den Kontext des ökonomischen Marktes und seiner Gesetze von Angebot, Nachfrage und Preisbildung als Inhalt einer künstlerischen Arbeit ein.

Das Ziel bestand darin, eine Sammlung mit Werken junger internationaler Künstler aufzubauen. Als erstes wurde ein Rezept für eine thailändische Wurst von Rirkrit Tiravanija angekauft, welche von einem Wiener Metzger produziert wurde und im Café der Wiener Secession für umgerechnet 10 DM als Tagesteller angeboten wurde. An dem Verkauf dieser Speise waren die beiden Künstler wiederum mit 30% beteiligt. Bei ca. 300 verkauften Portionen wurde allein hier Einnahmen in Höhe von umgerechnet 1000.- DM erzielt, die zusammen mit den Mieteinnahmen in Anschaffungen investiert wurden. Durch die Mieter der Plattform wie die Wiener Buchhandlung Minerva, Melzer Copy Shops, Eckl GmbH oder Künstler wie Pearl, Taft Green u.a. konnten im Laufe des Ausstellungszeitraums Arbeiten von Jorge Pardo, Jeremy Deller, und Charles Long & Stereolab angekauft werden. Volkswirtschaftlich gesehen, fungiert das Wurstrezept als Produktionsgut, mit dem auf einem Markt Einkommen in Form von Geld erzielt werden kann. Dieses Einkommen wird wiederum in Kunstwerke investiert. Investition wird in der Wirtschaftwissenschaft als die Umwandlung von Geldkapital in andere Formen des Geldvermögens oder in Ertrag bringendes Realkapital verstanden. Das im gekauften Kunstwerk als Wirtschaftsgut gespeicherte Kapital steigt bedingt durch die Mechanismen des Kunstmarktes in vielen Fällen beständig an Wert. So besitzen die im August 1996 angekauften Werke, die damals zusammen einen Einkaufspeis von USD 5500.- hatten, heute bereits eine geschätzten Marktwert von 8200.- USD. Allein durch die Wertsteigerung wurde eine Bruttorendite von ca. 49% in zwei Jahren erzielt. Eine solche Wertsteigerung funktioniert allerdings nur bei einer äußerst genauen Marktbeobachtung. Hier ist vor allem die Kompetenz der Künstler in Form von Expertenwissen über den Marktwert bestimmter Künstler und seines Trends gefragt.

Im Kunstverein Ludwigsburg hatten DH 1997 und 1998 zum erstenmal die Gelegenheit, eine Plattform mit dem Titel Plenty Objects of Desire für einen längeren Zeitraum zu installieren.

Plamen Dejanov und Svetlana Heger: "Plenty Objects of Desire", 1997

Es handelte sich um eine gelbgrün lackierte MDF-Platte mit den Maßen 400x200x2cm. Mieter dieser Plattform, die für 1000DM/Woche an Firmen und für 200DM/Woche an Privatpersonen vermietet wurde, waren unter anderem die Firma Waibel Berufsbekleidung, die Württembergische Celluloid- und Drahtwarenfabrik, eine Ateliergemeinschaft aus Ludwigsburg sowie ein Frauenskatverein. Künstler konnten den Mietbetrag frei verhandeln. Das Ziel der Arbeit bestand darin, die Mieteinnahmen anzusparen und für die anfallenden Mietkosten einer neu zu eröffnenden Filiale des Ludwigsburger Kunstvereins in Berlin zu verwenden. In den letzten Jahren konnten DH drei weitere Teilinstallationen von Plenty Objects of Desire realisieren. Aus den Einnahmen wurden verschiedene Design- und Kunstgegenstände für die Räume der Filiale des Ludwigsburger Kunstvereins in Berlin angekauft. So waren die angekauften Objekte der Plattform Still Life für ein Wohnzimmer konzipiert, von Pale Red Orange für einen Arbeitsbereich und von Three Wishes für eine Terrasse.

In diesen Arbeiten wurde nicht die Ausstellungsfläche, sondern die menschliche Arbeitskraft von DH vermietet. Der dabei erzielte Lohn ist der Preis für den Produktionsfaktor Arbeit. Sie boten ihre verschiedenen künstlerischen und nicht-künstlerischen Kompetenzen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt an. In Gratisanzeigen in der Luzerner Tageszeitung sowie durch Mundpropaganda wurde auf die Möglichkeit, ihre Arbeitskraft zu mieten, hingewiesen. Dabei kam es zu einer Diskussion mit den Schweizer Veranstaltern, die zunächst Bedenken gegen dieses Konzept hatten, da sie befürchteten, daß Schweizer Bürgern Arbeitsplätze durch ausländische Fremdarbeiter weggenommen würden. Schließlich arbeitete Swetlana Heger als Gärtnerin bei Floradiso, Luzern und als Aushilfe in der Küche und der Wäscherei des Hotel Rebstock, in dem sie zuvor als Gäste des Kunstmuseums Luzern logierten.

Plamen Dejanov und Svetlana Heger: "Still Life (Plenty Objects of Desire)", 1997; Svetlana Hager arbeitet im Hotel Rebstock, Luzern

Plamen Dejanov arbeitete u.a. als Aushilfskellner im Restaurant Arcade, als Büroaushilfe beim British Council in Bern und gab Zeichenunterricht für Herrn Rudolf Bernhard in Luzern. Am Ende der Ausstellung war die über das Kunstmuseum annoncierte Arbeitskraftvermittlung so stark nachgefragt, daß DH ohne weiteres noch andere Personen beschäftigen und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen hätten können. Besonders interessante Arbeitssituationen ergaben sich in Paris. So arbeitete Plamen als Schmuckentwerfer für die Schmuckdesignerin Virginie Monroe.

Plamen Dejanov und Svetlana Heger: "Three Wishes (Plenty Objects of Desire)", 1997; Plamen Dejanov arbeitet bei Virginie Monroe, Paris

Da er in Sofia eine klassische Ausbildung als Bildhauer absolviert hatte, war er in der Lage, den sehnlichsten Wunsch des Rennpferdbesitzers Pierre Dacheux in die Tat umzusetzen, nämlich sein Lieblingspferd in Holz zu schnitzen. Desweiteren war er als Clown-Assistent im Circus Adrienne Laroche, Paris tätig.

In der Arbeit Sunday's Air installierten DH 1998 in der Leipziger Galerie für zeitgenössische Kunst eine transparente Plexiglasstellwand in Form eines Kreuzes, in der drei Kompartimente für 600.-DM/Woche vermietet wurden, unter anderem an das Friseurgeschäft Abschnitt, Mannheim, Boettcher Culture & Communication, Leipzig, an die Deutsche Bank Leipzig, die Leipziger Messe GmbH, an die Klasse 10b des Geschwister-Scholl-Gymnasiums in Taucha und an die Leipziger Illustrierte Kreuzer. Aus den Einnahmen der Vermietung wurden je ein Stuhl von Charles und Ray Eames, von Verner Panton und Olivier Mourgue aus den 50er, 60er und 70er Jahren angekauft. Die Objekte werden im nächsten Jahr, wenn die Sammlung der Galerie für zeitgenössische Kunst gezeigt wird, dann dort wieder verkauft. Für jedes verkaufte Objekt wird wiederum einer oder mehrere neue Designgegenstände angekauft. Jeder Mieter, jeder Kauf und jeder Verkauf eines Designobjekts werden dann in einer sich prinzipiell ewig fortschreibenden Geschichte der Arbeit dokumentiert. Die Objekte, die DH sammeln, sind, im Verhältnis zu den Bedürfnissen potentieller Käufer gesehen, äußerst knappe Luxusgüter. Da das Angebot an diesen Designgegenständen aus historischen Gründen nicht weiter vermehrbar ist, sondern durch Verlust, Verschleiß und Zerstörung eher noch geringer werden wird, ist auf diesem Markt mit einer kontinuierlichen Steigerung der Marktpreise zu rechnen. Das Lager von Sunday's Air ist also ein temporärer Kapitalspeicher, man könnte auch sagen, ein kollektives Gedächtnis. Durch Zahlungen wird Geldkapital in Sachkapital umgewandelt und umgekehrt. Auf diese Weise wird im Kunstsystem der Begriff des Kapitals und seiner verschiedenen Wandlungs- bzw. Erscheinungsformen thematisiert.

Zum Gesamtkomplex der Installation gehören aber nicht nur die Designobjekte, Mieter und Arbeitsverhältnisse, sondern unbedingt auch die Verträge, Zertifikate und Annnoncen, mit denen die Künstler operieren. DH thematisieren in ihren Installationen verschiedene normalerweise im Kunstsystem ausgeblendete Kontexte.

-Die Knappheit des Wirtschaftsgutes Ausstellungsfläche
-Die Arbeitskraft als Produktionsfaktor künstlerischen Einkommens
-Die verschiedenen Formen von Kapitalbildung durch Kunst und in der Kunst in Form von Sachkapital, Geldkapital oder Investitionsgütern
-Der Kunstmarkt als Ort, an dem sich durch Angebot und Nachfrage die Preise für Kunst bilden
-Die Thematik von Ankauf, Sammlung, Wertsteigerung, Verkauf und der Transfer von Geldkapital in Sachkapital und umgekehrt

Indem der ökonomische Kontext in den Diskurs des Kunstsystems hineingenommen wird, wird er in der Kunst selbst zum Thema. Er wird zu einem Sujet der Kunst. Es kann darüber gesprochen, geschrieben, disktiert und gestritten werden. Das Werk von DH kann darüber hinaus ein Auslöser und Anknüpfungspunkt für andere Arbeiten anderer Künstler sein. Diese spezifische Dynamik von Thematisierung und Kontextualisierung betrifft in erster Linie die Evolution des Kunstsystems. Allgemein gesprochen, entwickelt sich ein System zunächst über Irritation. Es reagiert auf Turbulenzen von außen durch eine erhöhte Variation seiner Produktion. In der Kunst entstehen neue Werke durch eine erhöhte Innovationsrate. Von dieser erhöhten Variation werden dann einige Varianten vom System als positiv angenommen, d.h. selegiert. Dieser Mechanismus führt dann letztenendes zu einer erneuten Re-Stabilisierung der autopoietischen Selbstreproduktion des Systems.

Der Mechanismus des Kunstsystems, sich gegenüber dem Wirtschaftssystem, zu dessen Teilmärkten der Kunstmarkt gehört, abzugrenzen und zu autonomisieren, wird von DH als ein thematischer Schwerpunkt in das Kunstsystem eingeführt. Natürlich ändert sich dadurch nichts Grundlegendes an der Funktionsweise des Kunstsystems und des Wirtschaftssystems. Aber darum geht es auch gar nicht. Es geht nicht darum, mit Kunst die Gesellschaft zu verbessern, sondern Zusammenhänge bewußt zu machen und Sinnverbindungen herzustellen.

Die ökonomischen Fragestellungen werden von DH aber nicht als symbolische Repräsentation in Form einer Fotografie oder eines Bildes dargestellt, sondern sie werden wirklich durchgeführt. Mit dem Verfahren des realen Verhandelns ökonomischer Prozeße stehen DH in der Tradition der Material- und Realkünste. Obwohl ihr Kompetenzhandeln auf einer mikroökonomischen Ebene eine reale, wirtschaftliche Tätigkeit ist, weil sie wirklich ihre Arbeitskraft verkaufen, wirklich ihre Plattformen vermieten und die Kunst- und Designobjekte tatsächlich ankaufen, ist diese Form künstlerischer Performanz dennoch eine symbolische Handlungsweise.

Denn sie wird durch den Kontext des Kunstsystems zu einer symbolischen Performanz. Die Arbeiten DHs exemplifizieren dasjenige, auf was sie gleichzeitig verweisen. Sie sind selbst ein Beispiel für einen wirtschaftlichen Prozeß, auf den sie sich gleichzeitig beziehen. Tatsächliche wirtschaftliche Transaktionen im System Kunst sind dennoch symbolischer Natur, weil sie aufgrund ihrer Referenzen aus dem Kunstsystem hinaus auf die Marktmechanismen des Wirtschaftssystems verweisen. Denn die soziale Funktion des Kunstsystems als eines sozialen Systems war und ist immer Sinnstiftung gewesen. Als Kommunikation des Wirtschaftssystems betrachtet, handeln DH tatsächlich als Wirtschaftssubjekte. Ihre Performanz ist in diesem Kontext nicht künstlerischer, sondern wirtschaftlicher Art. Als Kommunikation im Kunstsystem dagegen betrachtet, handeln DH symbolisch. Sie bilden ein symbolisches Kapital von Sinnüberschüssen, das vom Beobachter wiederum in eigene Sinnanteile transformiert oder gewechselt werden kann.



Hans Dieter Huber