Hans Dieter Huber
Alvise Del Friso
First upload: 11.9.1996 last update: 25.6.2002
(erschienen in: Saur Allgemeines Künstlerlexikon: Die
Künstler aller Zeiten und Völker, Leipzig: Saur Verlag 1994, Bd.9,
S. 54 - 55 ) (mit freundlicher Genehmigung des K.G.
Saur Verlag GmbH Leipzig)
Benfatto, Luigi. gen. Del Friso, Alvise. Ital. Maler, Zeichner
u. Freskant. *wahrscheinl. 1544 in Verona, Ý 7.10. 1609 in Venedig. B.
war der Sohn einer Schwester von Paolo Veronese und dürfte seine Ausbildung
in der Werkstatt des Onkels absolviert haben. Er war lange Zeit als Geselle
bei Paolo Veronese und hat sich wahrscheinlich erst 1584 als Meister mit einer
eigenen Werkstatt in Venedig selbständig gemacht. Ridolfi nennt zwei Schüler
B.s: Matteo Verona und Matteo Ingoli. Im Register der venezianischen Malergilde
ist er von 1584-1597 als "Alvise de Paulo Veronese" und in einem späteren
Band von 1584-1608 als "Alvise Benfatto" geführt (Favaro). Innerhalb
der Veronese-Werkstatt ist die Hand B.s vor allem bei bestimmten ikonogr. Themen
nachzuweisen, wie dem Hauptmann zu Kapernaum, der Anbetung der Könige,
der Darbringung im Tempel und der Kreuztragung Christi. Stilistisch orientiert
sich B. an der Maltechnik und den Kompositionen seines Onkels. Charakteristisch
für B. sind überlängte Körper mit relativ kleinen Köpfen
und schlanken Händen. Die Gesichter sind von einer ins Stereometrische
reduzierten Grundauffassung. Der Gesichtsausdruck ist meist summarisch und eher
typisierend als individualisierend. B. ersetzt das sichere Gefühl Veroneses
für ein Gleichgewicht zwischen Detailgetreue und Gesamtkomposition durch
ein Übergewicht an minutiöser Sensibilität für Haare, Schmuck,
Bekleidungsstücke und Muskulatur. Die übertriebene wirkende Gestik
der Hände kompensiert meist den mangelnden inneren Ausdruck seiner Figuren.
Sein malerischer Duktus bevorzugt langgezogene, lockere Strichverläufe.
Die Farbe ist flach und schummernd aufgesetzt mit wenigen, linear und ornamental
wirkenden Höhungen. Die Konturen sind sehr summarisch und mehr aus der
Binnenmodellierung heraus gearbeitet als durch eine Betonung der Körperkontur.
Starke Lichter und Hell-Dunkel-Gegensätze interessieren ihn ebenso wie
diffuse, neutrale Hintergründe. Er legt sein Augenmerk eher auf ein spätmanieristisches
Chiaroscuro als auf eine stimmige Chromatik. Harte Schatten, helle Lichter und
eine ornamentalisierende Oberfläche seiner Körper und Stoffe charakterisieren
seine Art, zu malen. Von den zahlreichen Gehilfen Veronese war er einer der
begabteren. Im Spätwerk ab 1590 benutzte er eine stark reduzierte Palette
aus Karmin und zahlreichen Grau- und Brauntönen. Innerhalb seines Oeuvres
sind besonders der Marienzyklus für die Scuola di San Fantin in Venedig
(1576), die erhaltenen Ausstattungszyklen in San Niccolo dei Mendicoli (nach
1583), in denen er auch als Freskant im Chorbereich tätig war sowie die
Deckengemälde im Oratorio della SS. Trinità in Chioggia (1599-1602)
hervorzuheben. Als Zeichner entwickelte er seine Figuren aus vielen zusammengesetzten
Strichlagen, die sich zu dunklen Konturzonen verdichten und zu hellen Binnenflächen
ausdünnen. Seine bevorzugte Technik ist die Federzeichnung, manchmal mit
Pinsellavierung und Weisshöhung. Als Kreidezeichner ist er bisher nicht
zu erfassen. Die Albertina in Wien bewahrt eine frühe Zeichnung auf (Szene
vor einem Richter), die eine alte Inschrift trägt: "Alvise benfato
deto dal friso nipote di Paolo veronese".(Stix-Fröhlich). Stilistisch
orientiert sich B. in seinen Zeichnungen an den Techniken der Veronese-Werkstatt,
besonders am Zeichenstil Benedetto Caliaris.
Werke:1. Gemälde: Chioggia, Duomo, Sakristei: Prozession z. Ersch. der
Jungfrau an B. Zelon (1593); Oratorio della SS. Trinità: Deckengemälde
(1599 -1602); San Domenico: Jesus im Garten Gethsemane (sign.); Gandino (Bergamo),Museo
della Basilica: Assuntà (sign., um 1609); Mason Vicentino (VI), Pfarrkirche:
Noli me tangere, um1576; San Pietro di Valdobbiadene (TV): Pfarrkirche: Marienkrönung;
Venedig, Ateneo Veneto: Marienzyklus für die Scuola di San Fantin (dat.
1576); Chiesa dell` Angelo Raffaele: Hauptmann von Kapernaum, (sign.u. dat.1587),
Hl. Helena betet das Kreuz an; Chiesa di Santa Maria del Carmine: Grablegung
Christi, um 1590; Ex-Chiesa della Croce: Christus auf dem Weg zum Kalvarienberg;
Fondazione Giorgio Cini: Anbetung der Weisen; San Francesco di Paolo: San Francesco
di Paolo; San Giovanni Chrisostomo: Taufe Christi; San Marcuola: Judaskuß,
Jesus in Gethsemane; San Niccolo dei Mendicoli: Leben-Christi-Zyklus, Fresken
im Chor u. Seitenkapelle (nach 1584); San Pantaleon: Der Hl. Bernhard empfängt
die Zeichen Christi; San Trovaso: San Francesco di Paolo m. Fides, Caritas u.
Stifter; Sant'Eufemia: Hl. Abendmahl (sign.).
2. Zeichnungen: Paris, Louvre: Studie e. Wandfigur, Inv. 9.060; École
des Beaux Arts: Studie einer Wandgliederung; München, Staatl. Graph. Slg.,
Stiftung Ratjen; Wien, Albertina: Szene vor einem Richter
Literatur:
C. Ridolfi, Le Maraviglie dell'Arte , Venezia 1648. Hrsg. v. D. v. Hadeln, Bd.2,
Berlin 1924, S. 141-144; M. Boschini, La Carta del Navegar Pitoresco. <1660>
Edizione critica a cura di A. Pallucchini. Venezia - Roma 1966, S. 447-451 u.
S. 735f.; A.M. Zanetti, Della Pittura Veneziana e delle Opere Pubbliche de'
veneziani maestri libri V. Venezia 1771 (Reprint Venezia 1972), S. 273-279;
L. Lanzi, Viaggio nel Veneto.<1793> A cura di D. Levi. Firenze 1988, S.42-43;
A. Stix /L. Fröhlich-Bum., Die Zeichnungen der Venezianischen Schule. Wien
1926, cat. 126; A. Venturi, Storia dell' Arte Italiana. Bd.IX. La Pittura del
Cinquecento. Parte 4, Milano 1929, S. 1109-1112; C. Donzelli /G. M. Pilo, I
pittori del Seicento veneto. Firenze 1967, S.152/53; T. Mullaly, Disegni veronesi
del Cinquecento. Catalogo della mostra a cura di Terence Mullaly. Venezia 1971,
S.87-89; E. Manzato, Il soffitto dell'Oratorio della SS. Trinita di Chioggia
. In: Arte Veneta, 26, 1972, S. 111 - 120; E. Favaro, L'Arte dei Pittori in
Venezia e i suoi Statuti. Firenze 1975, S.137 u.144; L. Crosato Larcher, Note
per Alvise Benfatto del Friso. In: Arte Veneta, Vol. XXX, 1976, S. 106 - 119;
P. Simoni, Opere di pittori veronesi nelle chiese di Chioggia. In: Vita Veronese,
Anno XXX, 1977, no. 3 - 4, S. 72 - 83; T. Fomiciova, Opere di allievi del veronese
nella collezione dell' Ermitage, nuove attribuzioni. Arte Veneta 33.1979, S.1331-136;
R. Pallucchini, La pittura veneziana del Seicento. Bd. 1 Milano 1981, S.22,
S.438/39; A.M. Spiazzi, Dipinti demaniali di Venezia e del Veneto nella prima
metà del sec. XIX. Vicendi e recuperi. In: Bollettino d'Arte, Vol. 68.,
1983, Bd. 20, luglio-agosto, S. 69 - 122; P. Zampetti, Ma è Paolo Veronese!
in: Scritti di storia dell'arte in onore di F. Zeri, Milano 1984, Bd. 1, S.
444 -462; H.D. Huber, Paolo Veronese. Kunst als soziales System (in Vorb.)