Hans Dieter Huber
Welcome to Securityland.
Die Globalisierung von Kommunikation und Kultur im Internet (1)


(erschienen in: kritische berichte. Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften, Jg. 25, 1997, Heft 1 , S. 70-79)

I
Globalisierung

Es sieht heute so aus, als würden geographische Grenzen und Hindernisse mehr und mehr schrumpfen und die Welt zu einem globalen Dorf (2) und einem einheitlichen Schauplatz zusammenwachsen. Dies ist vor allem Verdienst der Massenmedien. Denn was wir über die Welt wissen, so Niklas Luhmann in seinem jüngsten Buch, wissen wir aus den Medien.(3) Im akademischen Diskurs tauchte der Begriff der Globalisierung in der Mitte der 80er Jahre auf.(4) Für Künstler wie Nam June Paik, John Cage oder Douglas Davis spielten dagegen die von Marshall McLuhan entwickelten und verbreiteten Thesen vom globalen Dorf der Massenmedien eine wichtige Rolle. Der Begriff Globalisierung wird heute in vielen Bereichen der Ökonomie, der Politik,(5) der Religion,(6) der Stadtplanung,(7) der Kunst,(8) dem Design,(9) der Soziologie (10) und der Ethnologie in verschiedenen Facetten und Bedeutungsvarianten verwendet. Seine Einführung in die akademische Wissenschaft verdankt sich vor allem Roland Robertson, Anthony Giddens und David Harvey. Für Robertson bezieht sich Globalisierung sowohl auf einen Prozeß der Komprimierung der Welt und ihrer Raum-Zeit-Koordinaten als auch auf ein gesteigertes Bewußtsein für die globale Einheit der Welt.(11) Der englische Soziologe Anthony Giddens hat den Begriff dagegen im Sinne einer "Entgrenzung des Raumes", der Distanzierung von Raum-Zeit-Beziehungen auf der einen Seite und der chronischen Veränderbarkeit lokaler Umstände und regionalen Engagements durch diese Entgrenzung maßgeblich geprägt.(12) Für David Harvey dagegen besteht Globalisierung statt in einer Dehnung sozialer Relationen vor allem in einer Komprimierung von Raum und Zeit, in der Zeitabstände kürzer werden und damit Distanzen schrumpfen. Die Verkürzung der Zeit löscht seiner Meinung nach den Raum aus.(13) Harvey sieht diese Entwicklung in engem Zusammenhang mit Kapitalflüssen, Transportgeschwindigkeiten und Kommunikationstechnologien.


II
Kommunikation

Im Internet wird Kommunikation globalisiert. Die elektronischen Informationsflüße überschreiten nationale Grenzen, die raumzeitlichen Distanzen schrumpfen und die sozialen Beziehungen intensivieren sich.(14) Ohne eine tatsächliche Kommunikationssituation funktioniert das Internet nur als ein Archiv, auf das der Kommunikationsprozeß zugreift.(15) Die lateinische Wurzel des Wortes lautet communicare : Das heißt, teilhaben lassen, etwas gemeinschaftlich machen. Gemeint ist etwas, das man mit anderen teilt und zum Gegenstand einer Gemeinschaft macht.
Das Adjektiv communis bedeutet "gemeinsam dienstbereit, mitverpflichtet". In diesen Begriffen steckt die Wurzel munia: Leistungen, Amtspflichten, Berufsgeschäfte bzw. munus als 'Aufgabe, Pflicht, Leistung'.(16) Davon wiederum stammt der Begriff immunis im Sinne von 'nicht dienstbereit, frei von Leistungen, nichts beitragend'. Das Gegenteil von Kommunikation wäre nach diesem Sprachmuster Immunität. Kommunikation müßte dann analog als eine Art Immunschwäche verstanden werden. Wenn man über die Auswirkungen elektronischer Medien auf Kommunikation und Kultur spricht, muß man auch über Formen der Immunität oder Resistenz gegen die Globalisierung von Kommunikation und Kunst nachdenken. Diese Resistenz möchte ich als kulturellen Fundamentalismus bezeichnen.(17)

Am einfachstn läßt sich Kommunikation als ein Übertragunsmodell zwischen Sender, Botschaft und Empfänger auffassen, der die codierte Nachricht erst entschlüsseln muß, um sie verstehen zu können. Dieses Modell, das aus der militärischen Nachrichtentechnik des 2. Weltkrieges stammt, beherrscht auch heute noch die landläufige Vorstellung von Kommunikation.(18) Dieser Begriff reicht aber nicht mehr aus, um die Komplexität der kommunikativen Leistungen der postmodernen Gesellschaft zu beschreiben, erst recht nicht, um die Kommunikationsstrukturen der elektronischen Datennetze angemessen zu verstehen.

Im letzten Jahrzehnt hat sich in Zusammenspiel mit dem Radikalen Konstruktivismus und der Theorie sozialer Systeme eine neue Kommunikationstheorie entwickelt. Ihr Ausgangspunkt ist das Konzept operational geschlossener Systeme. Nur die Kommunikation kann kommunizieren, nicht aber das Bewußtsein, das Denken oder die Wahrnehmung.(19) Kommunikation wird als ein Orientierungsverhalten verstanden, als ein Zusammenwirken von Information, Mitteilung und Verstehen.(20)

Aber erst der Vorgang des Verstehens generiert einen kognitiven Inhalt im mentalen System eines Beobachters oder Benutzers. Er wird von der Form, die in einem bestimmten Medium mitgeteilt wurde, zu kognitiver Aktivität angeregt (21). Alle drei Selektionen zusammen können als eine Form von Kommunikation aufgefasst werden. Im Zusammenhang von Information und Mitteilung geht es vor allem um die Fragen des Mediums: der Speicherung und der elektronischen Archivierung von Schrift, Bild und Ton. Im Kontext des Verstehens solcher intermedialer Speicherformen geht es dagegen um Kommunikation. Hier greifen die entscheidenden Mechanismen von Globalisierung bzw. Fundamentalismus. Denn das Verstehen hängt sowohl von individuellen wie von sozialen und kulturellen Bedingungen ab.


III
Globalisierung der Kommunikation

Information und Mitteilung, also spezifische Form/Medien-Kombinationen aus Schrift, Bild und Ton, können ohne weiteres global bereit gestellt werden. Aber es ist heute schwierig bis unmöglich, von einer Globalisierung des Verstehens zu sprechen. Denn das Verstehen hängt von einzelnen Individuen, ihren kognitiven Zuständen, ihrer Nationalität, ihren Traditionen und ihrer spezifischen Kultur ab. Einer Globalisierung von Information und Medium steht also der kulturelle "Fundamentalismus" des verstehenden Individuums gegenüber. Während Form und Medium im Internet global reproduziert, distribuiert und reproduziert werden können, hängt das Verstehen des Inhalts von individuellen, milieuspezifischen, regionalen, nationalen und kulturellen Umständen ab. Hier tritt also die Kultur auf Seiten des urteilenden Subjekts ins Spiel. In dem Maße, in dem der Zug zur Globalisierung wächst und es zu einer lateralen Ausdehnung sozialer Beziehungen durch das Internet kommt, verstärkt sich auch der Druck auf die Formen lokaler Autonomie und regionaler Identität. (22)

In kulturtheoretischen Diskussionen der letzten Jahre wurde Kultur als ein Modell für Verhalten beschrieben, das durch kognitive und kommunikative Prozesse als eine Form kollektiven Wissens erzeugt wird. Kultur wird dort als ein System kollektiver Sinnstrukturen aufgefasst, mit dem Menschen ihre Wirklichkeit definieren. (23) Kultur sorgt dafür, daß das Wirklichkeitssystem einer Gesellschaft sowie seine soziale Semantik auf Dauer gestellt und institutionalisiert werden kann. Sie federt wechselseitige Kommunikationsrisiken ab, indem es Strategien zur Regulierung und Kanalisierung von kognitiven Überkapazitäten durch Sinnsysteme bereitstellt. Dabei werden zwei Aufgaben gelöst. Auf der einen Seite wird die Reproduktion gesellschaftlich relevanter Problemlösungen und Verfahrensweisen auf Dauer gestellt, also eine Tradition ausgebildet. Auf der anderen Seite wird die Kontrolle des Individuums durch Sozialisation, Macht, Sprache und verschiedene soziale Semantiken wie Kleiderordnungen und Standards angemessenen Verhaltens gewährleistet.


V
Kultur als Kontroll- und Disziplinierungsapparat

Wenn Information und Mitteilung auf ein bestimmtes Individuum treffen, das diese Medienform verstehen will, dann treffen sie zunächst auf individuelle, soziale und kulturelle Voreinstellungen, Gewohnheiten, Vorurteile, Traditionen, usw. Jede Kommunikation durchläuft also im Verstehensprozeß einen kulturellen Filter, der die jeweilige Medienform bewertet, beurteilt und kontrolliert. Dieser kulturelle Filter als ein Programm der Thematisierung, Bewertung und Einschätzung von Kommunikation läßt sich auch als regulative Idee (24) oder als binäre Codierung verstehen. (25) Kultur konditioniert Kommunikation auf Ausmaße, die für das jeweilige Individuum gerade noch verarbeitbar, verstehbar oder überschaubar sind.

Wenn sich Information und Mitteilung durch das Internet globalisieren und die jeweilige Kultur als regionale, kulturelle Identität diese Formen bewertet, thematisiert und kontrolliert, dann durchlaufen sämtliche globalisierenden Mechanismen einen lokalen, kulturellen Filter. Wie kann man sich solche kulturellen Filter vorstellen? Man kann sie als Entscheidungs- und Bewertungsprogramme auffassen, als binäre Codierungen wie z.B. gut/schlecht, brauchbar/unbrauchbar, neu/altmodisch, wichtig/unwichtig, bekannt/unbekannt, etc. Sie beurteilen die global eintreffenden Formen des Internets und selegieren die für das jeweilige Individuum und seine Kultur relevanten Informationen.

Kultur konditioniert die Globalität von Information auf ein für das jeweilige Individuum gerade noch vertretbare kognitive Maß. Soweit gesehen, sind Globalisierung der Kommunikation und kultureller Fundamentalismus zwei Seiten eines Systems von 'checks and balances', in denen der globale information overload des Internets auf kognitiv vertretbare Kapazitäten reduziert wird.

V
Die Globalisierung der Kultur

Eine ganz andere Frage stellt sich dagegen, wenn sich Kultur selbst, also das lokal-regionale Programm der Bewertung und Beurteilung von Kommunikation, globalisiert, vereinheitlicht, raumzeitlich ausdehnt oder homogenisiert. Kommt es dann zwangsläufig zum Zusammenprall der kulturellen Fundamentalismen (26) oder gar zu einem Krieg der Zivilisationen, wie Samuel Huntington prophezeit? im Internet wiederholen sich das westliche Hegemonialismusstreben und der Kolonialismus der angelsächsischen Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts in der "westernization" der kulturellen Standards. Jedenfalls kommt es zunächst zu einem direkten Zusammentreffen und Vergleich verschiedener kultureller Programme, wie z. B. in Japan oder Taiwan, wo sich die Jugend mehr und mehr westlich orientiert. (27) Es treten Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen kulturellen Praktiken der Bewertung und der Reproduktion von Wirklichkeitsauffassungen auf. Die Frage ist dann, welche kulturelle Ideologie die Überhand gewinnt. Im Moment beobachten wir einen kulturellen Hegemonialismus der anglosächsischen Kultur. (28) Es geht also um die Alternative zwischen pluralen Welten, die von gegenseitiger Toleranz gekennzeichnet sind oder einem, dem Ideologem der Wahrheit unterliegenden, kulturellen Fundamentalismus. Viele Anzeichen deuten heute darauf hin, daß die Pluralität von Kulturen mehr und mehr durch einen, immer gewalttätiger werdenden, kulturellen Fundamentalismus ersetzt wird (Bosnien, Algerien).


VII
Netiquettes und emoticons

Wenn ich auf die Eingangsfrage zurückkomme, wie sich eine zunehmende Globalisierung elektronischer Medien auf Kunst, Kommunikation und Kultur auswirkt, dann wissen wir jetzt, dass die jeweiligen kulturellen Programme des Benutzers globalisierbare Kommunikation auf das gerade noch verstehbare Ausmaß reduzieren, begrenzen und disziplinieren. Somit wäre alles in Ordnung, könnte man sagen. Jeder versteht eben die Dinge auf seine Weise. So einfach ist die Situation aber nicht. Denn im Internet ist mittlerweile ein neuer, kultureller Disziplinierungs- und Kontrollapparat entstanden. Er läßt sich vor allem in den sog. Netiquettes, elektronischen Benimmregeln sowie in den emoticons, kleinen Ausdruckszeichen, die auf die fehlenden, situativen Umstände der Kommunikationssituation hinweisen, faßbar machen. Sie federn das Risiko, mißverstanden zu werden, ab und geben Interpretationshinweise zum Verständnis. Meistens sind diese Netiquettes aus Verhaltensweisen im Alltagsleben übernommen, also einfache Adaptationen westlicher Kulturstandards:

RULE 2: ADHERE TO THE SAME STANDARDS OF BEHAVIOR ONLINE THAT YOU FOLLOW IN REAL LIFE. Standards of behavior may be different in some areas of cyberspace, but they are not lower than in real life. ... Don't believe anyone who says, "The only ethics out there are what you can get away with." ... But if you encounter an ethical dilemma in cyberspace, consult the code you follow in real life.(29)


Dazwischen gibt es aber besondere, für das reale Leben ungewöhnliche ethische Regeln wie "TAKE ADVANTAGE OF YOUR ANONYMITY" oder "HELP KEEP FLAME WARS UNDER CONTROL".

'Netiquettes' und 'emoticons' sind Programme zur Thematisierung, Bewertung und normativen Einschätzung globalisierter Kommunikation durch e-mail, Newsgroups und Diskussionslisten. Denn aufgrund der einkanaligen Kommunikation fallen sämtliche Begleitumstände der Situation, also der Kontext des Sprechens, wie Körperhaltung, Mimik, Gestik, Ausdruck oder Stimme, etc. völlig aus. Dies kann Anlaß zu Missverständnissen und Provokationen geben (sog. flame wars). E-mail-Kommunikation ist aus diesem Grunde erhöhten Kommunikationsrisiken ausgesetzt. In den Netiquettes stösst man auf ausgesprochen strenge Benehmensregeln für die Kommunikation in elektronischen Netzen. Die Netiquettes stellen ein kulturelles System von Regeln zur Disziplinierung der Netzbenutzer bereit. Jeder Netz-Neuling unterwirft sich mehr oder weniger freiwillig an dieser Kultur des Netzes. So heißt es z.B. im Handbuch für Diskussionslisten:

Things which are perfectly normal in one culture can be insulting in another. For instance, ad hominem attacks are perfectly acceptable in some countries. Conversely, referring to other people by their first name ("As Peter said in his last message, ...") can be downright insulting in some cultures, where anything short of the full title is at best condescending. But, of course, in other countries the use of the full title is considered sarcastic... There is no middle ground here, because there are too many conflicting cultures and too many languages. The only way to successful cross-cultural communication is through the tolerance of other people's cultural habits, in return for their tolerance of yours.(30)



VI
Welcome to Securityland

Sigmund Freud hat 1930 in der Schrift 'Das Unbehagen in der Kultur' die repressive Kontroll- und Disziplinierungsfunktion der kulturellen Programme beschrieben. (31) Das Lustprinzip und der Freiheitsimpuls des Individuums werden durch Kultur unterdrückt. Sie nötigt dem Individuum einen erheblichen Triebverzicht auf. Das Interessante an Freud ist die These, dass Kunst aus dem Unbehagen an der Kultur entsteht. Aus den repressiven Disziplinierungspraktiken kultureller Programme entstehen Kunst und Witz als zeitweilige Aufhebung dieser Unterdrückung, als Sublimation des Freiheitstriebes. (32)

Es ist nun außerordentlich interessant, zu sehen, wie Künstler im Internet aus diesem Unbehagen an der Netzkultur Kunstwerke als eine Form digitaler Triebsublimierung schaffen, in der der repressive Druck des Über-Ich wenigstens für kurze Zeit gelockert werden kann und die Triebenergien des Unbewußten durch Kunst ins Bewußtsein der Öffentlichkeit eintreten können (Ernst Kris). (33)

Vielleicht ist es kein Zufall, daß es gerade zwei Künstlerinnen sind, welche zur Zeit, in künstlerischer Hinsicht gesehen, die interessantesten Homepages im Internet anbieten, nämlich die beiden amerikanischen Künstlerinnen Julia Scher und Jenny Holzer. In ihrer Homepage "Welcome to Securityland" (34) hat Julia Scher vier Abteilungen in einem fiktiven Gebäude untergebracht: one house, konsent klinik, predictive engineering, the glossary. Die Seiten arbeiten mit gezielten Mißverständnissen, fingierten Sicherheitsinstruktionen, wiederholten Errormeldungen. In konsentklinik können die Benutzer des Internets per e-mail Fragen an eine Art Pseudo-Elektronik-Internet-Psychoschwester senden, welche darauf eine Antwort oder ein Rezept veröffentlicht. Die Fragen und Antworten der Teilnehmer können wiederum von anderen Telinehmern kommentiert und ergänzt werden. In den Fragen und Antworten geht es um kulturelle Kontrolle und persönliche Praktiken im öffentlichen Raum:

msg: picabia - Friday October 27,1995 4:31 PM: Did you know that making out in a cab is completely verboten? The inside of the taxi cab is public space! shoelace@chain.com
rply: j.terry - Saturday December 02,1995 4:57 Question: Since when was it illegal to make out in a space designated as public? terry.47@osu.edu
rply: julia - Monday December 11,1995 12:39 PM. You have made a wise decision to bring forth this question. However, bodily contact in public space is regulated state by state, country by country, and region to region. An interesting read on that issue comes up in Rule, J. et al "The Politics of Privacy," 1980. Intensity, proximity, duration and age of individuals involved would all be factors in the drivers response/non response to your private activity. ... cuff@adaweb.com (35)


Jenny Holzer hat eine Liste ihrer Truisms im Internet veröffentlicht, die von den Benutzern aktiv verändert und in eine Liste mit dem Titel "Submissions" wieder zurückgesendet werden können. (36) So kann ihr bekanntester Spruch ABUSE OF POWER COMES AS NO SURPRISE beliebig verändert werden. Auf diese Weise ergibt sich eine alphabetisch geordnete Liste aller veränderten Sprüche, in denen die individuelle oder kulturelle Variationbreite solcher Binsenweisheiten zu erkennen ist. Für obiges Beispiel sehen die eingesandten Veränderungen folgendermaßen aus:

ABUSE IS A SURPRISE
ABUSE OF ATTITUDE COMES AS NO SURPRISE
ABUSE OF CHILDREN IS ALL TOO HUMAN
ABUSE OF CHILDREN IS INHUMAN
ABUSE OF POWER (IN ALL ITS FORMS) IS THE ROOT OF ALL EVIL
ABUSE OF POWER COMES AS A BIG KICK IN THE BUTT
ABUSE OF POWER COMES AS A SURPRISE
ABUSE OF POWER COMES DAILY
ABUSE OF POWER COMES EVERY DAY IN SCIENCES
ABUSE OF POWER COMES WHEN MONEY IS MORE RESPECTED THAN INTEGRITY
ABUSE OF POWER IS COMPLETE NONSENSE
ABUSE OF POWER IS INEVITABLE
ABUSE OF POWER IS TAUTOLOGICAL
ABUSE OF POWER IS TO BE EXPECTED.
ABUSE OF POWER LEADS TO THE ABUSE OF PEOPLE (37)


In einer dritten Stufe kann man dann per Mausklick darüber abstimmen, ob man der Meinung ist, dass diese Überzeugung zutrifft. Das statistische Ergebnis wird dann ebenfalls eingespielt. Der Wahrheitswert der Binsenweisheit ABUSE OF POWER COMES AS NO SURPRISE wird sehr hoch eingeschätzt (zweithöchstes Rating von allen). (38)

Dies zeigt, dass Künstlerinnen und Künstler im Internet gerade mit diesen kulturellen Kontroll- und Bewertungsprogrammen arbeiten, (39) sie thematisieren und einer künstlerischen Transformation unterziehen, mit dem Ergebnis, dass die kulturellen Codes selbst eine Veränderung erfahren. Das Ganze wird wiederum in die Computernetze eingespeist und steht weltweit zum exchange of believes zur Verfügung.


VII
Zusammenfassung

Durch die zunehmende Globalisierung von Information und Mitteilung im Internet werden Raum und Zeit komprimiert und soziale Beziehungen über grosse Distanzen gedehnt. Dieser Globalisierung steht ein regional begrenzter, kultureller Fundamentalismus gegenüber, der die Komplexität solcher Information auf die noch verstehbaren Ausmaße und Relevanzen der eigenen Kultur reduziert. Wenn sich jedoch die kulturellen Kontrollprogramme in Form von Netiquettes selbst globalisieren, entsteht eine neue Situation, die mit den Stichworten Hegemonialismus und westernization beschrieben werden kann. Die Kunst im Internet reagiert auf dieses Unbehagen mit einer kreativen und anarchischen Einbindung der Benutzer. Vermeintlich objektive, kulturelle Standards können unter dem Etikett "Kunst" durch die Interaktion mit verschiedenen Indidivuen, Milieus, Schichten, Kulturen und Zivilisationen auf globale und weitgehend demokratische Weise kommentiert und verändert werden.


Fussnoten:
1 Dieser Aufsatz ist eine stark überarbeitete und erweiterte Fassung von zwei Vorträgen, die am 18.4.1996 unter dem Titel "Connected Minds. Die Globalisierung von Sprache, Kommunikation und Kultur im Internet" im Rahmen des vom Heidelberger Club für Wirtschaft und Kultur veranstalteten Symposiums "Globalisierung-der Schritt in ein neues Zeitalter" und am 10.5.1996 im Rahmen des ComIt-Symposiums über wirtschaftliche, rechtliche und gesellschaftliche Herausforderungen der Neuen Medien an der Universität Mannheim gehalten wurden.
2 Der Begriff wurde bereits 1960 von Mc Luhan geprägt. Siehe Marshall Mc Luhan/Quentin Fiore: Das Medium ist Massage. Frankfurt/M. [u.a.] 1969, S.67: "Die neue elektronische Interdependenz formt die Welt zu einem globalen Dorf um."
3 Niklas Luhmann: Die Realität der Massenmedien. Opladen 1996, S. 9
4 Malcom Waters: Globalization. London: Routledge 1995, S.2
5 Evans Luard: The globalization of politics: The changed focus of political action in the modern world. New York 1990
6 Beyer, Peter: Religion and Globalization. London/Thousand Oaks, Calif. 1994
7 Peter Noller/Walter Prigge/Klaus Ronneberger (Hg.): Stadt-Welt. Über die Globalisierung städtischer Milieus. Frankfurt/New York: Campus 1994
8 The World Over. Under Capricorn. Art in the Age of Globalisiation. Ausst. Kat. City Gallery Wellington, Stedelijk Museum Amsterdam, Sommer 1996
9 Hugh Aldersey-Williams: World Design. Nationalism and Globalism in Design. New York: Rizzoli 1992
10 Für eine Übersicht über das Thema verweise ich auf folgende Titel: Mike Featherstone (Hg.): Global culture. Nationalism, Globalization and Modernity. London:Sage 1990; Anthony D. King (Hg.): Culture, Globalization and the World-System. Contemporary Conditions for the Representation of Identity. London: Macmillan 1991; Roland Robertson: Globalization: Scial Theory and Global Culture. London 1992; Emanuel Richter: Der Zerfall der Welteinheit. Vernunft und Globalisierung in der Moderne. Frankfurt/New York: Campus 1992; Scott Lash/John Urry: Economies of Signs and Space. London 1994; Waters, Malcolm: Globalization. London 1995; Nederveen Pieterse, Jan P.: Globalization As Hybridization. The Hague 1993, Oman, Charles: Globalisation and Regionalisation: The Challenge for Developing Countries. Paris: OECD 1994; Featherstone, Mike: Undoing culture: globalization, postmodernism and identity. London/Thousand Oaks, Calif. 1995; Tony Spybey: Globalization and the World Society. Cambridge: Polity Press 1996
11 Robertson, a.a.O., S.8
12 Anthony Giddens: Modernity and Self-Identity. Self and Society in the Late Modern Age. Cambridge: Polity Press 1991, S. 71
13 David Harvey: The Condition of Postmodernity. An Enquiry into the Origins of Cultural Change. Oxford: Blackwell 1989, S. 240f.
14 Vgl. Anthony Giddens: Konsequenzen der Moderne, Frankfurt/M. 1995, S. 85f., sowie Anthony Giddens: Beyond Left and Right. The Future of Radical Politics, Oxford 1994, S.80f.; sowie Harvey, a.a.O., S.346-349
15 Assmann, Aleida/ Assmann, Jan: Das Gestern im Heute. Medien und soziales Gedächtnis. in: Merten, Klaus/ Schmidt, Siegfried J./ Weischenberg, Siegfried (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in die Kommunikationswissenschaft . Opladen: Westdeutscher Verlag 1994, S. 114-140
16 siehe hierzu auch Richter, a.a. O., S.24 ff.
17 Zur Frage kulturellen Fundamentalismus siehe Samuel P. Huntington: The Clash of Civilizations? in: Foreign Affairs, Summer 1993, S.22-49 sowie die anschließende Debatte in Foreign Affairs, October 1993; ferner Robertson, a.a.O., S.164-181 sowie Lash/Urry, a.a.O., S. 305-312
18 Siehe hierzu als kritische Darstellung: Klaus Krippendorf: Der verschwundene Bote. Metaphern und Modelle der Kommunikation. In:Klaus Merten/Siegfried J. Schmidt/Siegried Weischenberg (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in die Kommunikationswissenschaft. Opladen 1994, S. 79 - 113
19 Niklas Luhmann: Wie ist Bewußtsein an Kommunikation beteiligt? In: Gumbrecht, Hans Ulrich /Pfeiffer, Karl-Ludwig 1988 (Hrsg.): Materialität der Kommunikation. Frankfurt/M.1988, S. 884; ferner Niklas Luhmann: Was ist Kommunikation?; in: Niklas Luhmann: Soziologische Aufklärung: Bd.6: Die Soziologie und der Mensch. Opladen 1995, s.113-124
20 Niklas Luhmann: Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt/M. 1984, S. 193-200
21Vgl. zur Rolle des Verstehens in der Kommunikation Gebhard Rusch: Verstehen verstehen. Ein Versuch aus konstruktivistischer Sicht; in: Luhmann, Niklas/ Schorr, Karl Eberhard (Hrsg.): Zwischen Intransparenz und Verstehen. Fragen an die Pädagogik. Frankfurt/M. 1986, S.40-71; Luhmann, Niklas: Systeme verstehen Systeme. In: Luhmann, Niklas/ Schorr, Karl Eberhard (Hrsg.): Zwischen Intransparenz und Verstehen. Fragen an die Pädagogik. Frankfurt/M. 1986, S.72-117; ferner Heinz von Foerster: Verstehen verstehen, In: Heinz von Foerster: Wissen und Gewissen. Versuch einer Brücke. Frankfurt/M. 1993, S.282-298;
22 Giddens 1995, S.86
23 Siehe zu dieser Auffassung Schmidt, Siegfried J. 1992 (Hrsg.): Kognition und Gesllschaft. Der Diskurs des Radikalen Konstruktivismus 2. Frankfurt: Suhrkamp, S.425-450; Siegfried J. Schmidt: Medien = Kultur? Bern: Benteli 1994, S.28ff.; Siegfried J. Schmidt: Kognitive Autonomie und soziale Orientierung. Konstruktivistische Bemerkungen zum Zusammenhang von Kognition, Kommunikation, Medien und Kultur. Frankfurt/M.1994, S.202-260; Peter M. Hejl: Culture as a Network of Socially Constructed Realities; in: Ann Rigney/Douwe Fokkema (Hg.): Cultural Participation. Trends since the Middle Ages. Amsterdam 1993, S. 227-250; ferner Niklas Luhmann: Kultur als historischer Begriff; in: ders.: Gesellschaftstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Bd.4, Frankfurt/M. 1995, S. 31-54; Werner Faulstich: Was heißt Kultur? Aufsätze 1972-1982, Tübingen 1983, S.13-33 sowie speziell für die Kultursoziologie Raymond Williams: The Sociology of Culture. Chicago: University of Chicago Press 1995, S.11f.
24 Siehe hierzu Thierry de Duve: Kant nach Duchamp. München 1993, S.8-80
25 Siehe hierzu Niklas Luhmann: Die Kunst der Gesellschaft. Frankfurt/M. 1995, S. 301-308
26 siehe hierzu: Robertson, a.a.O., S. 164-181
27 Vgl. Huang Hai-ming: Local Consciousness and Cultural Identity. In: Nicholas Jose/Yang Wen -I: ARTTAIWAN. The Contemporary Art of Taiwan. Ausst. Kat. Museum of Contemporary Art, Sydney/Taipeh Fine Arts Museum. March- June 1995, S.56-61
28 Norman Fairclough: Globalisation of discursive practices; electronically published January 1996 under URL: http://allserv.rug.ac.be/~sslembro/GLOBAL/
29 Virgina Shea: Netiquette. Albion Books 1994 (URL: http://www.netsurf.com/nsm/v01/01/albion/albion.html)
30 LISTSERV (TM) Listowner's Manual, Version 1.8b, 1995, Chap. 6.2: "The role of the list owner as moderator"
31 Sigmund Freud: Das Unbehagen in der Kultur; Freud Studienausgabe, Bd,. IX, Frankfurt/M. 1974, S.197-270
32 siehe hierzu auch Sigmund Freud: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten; Frankfurt/M. 1958, S.82, sowie S.95ff.
33 Ernst Kris: Die ästhetische Illusion. Phänomene der Kunst in der Sicht der Psychoanalyse. Frankfurt/M.1977, S.189ff.
34 URL: http://adaweb.com/project/secure/corridor/sec1.html
35 URL: http://adaweb.com/cgi-bin/scher/bbs.cgi
36 URL: http://adaweb.com/project/one.shtml
37 URL: http://adaweb.com/project/holzer/cgi/pcb.cgi?change
38 URL: http://adaweb.com/project/holzer/cgi/pcb.cgi?beliefs
39 vgl. auch Antonio Muntadas: The File Room Censorship Archive (URL: http://fileroom.aaup.uic.edu/FileRoom/documents/homepage.html)

 



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