Hans Dieter Huber
Slave To The Rhythm.
Carl Michael von Hausswolf
Power electric controller posing a static mobil-machung program for some possible actions, 1997 (for Eric Pauser and Leif Elggren)

First installation: 07.02.98 Last Update: 20.11.98

erschienen in: Bernhard Balkenhol/Heiner Georgsdorf (Hg.): x mal documenta x. Über Kunst und Künstler der Gegenwart. Ein NachLesebuch zur 10. documenta. Kassel 1998, S. 162

In diesem Sommer blühten die Rosen so schön wie nie zuvor. Sie trieben purpurrote, gelbe, rosafarbene und weiße Samtblüten. Sie entfalteten ihre Pracht diesmal aufs äußerste und wetteiferten darum, wer von ihnen die Schönste sei. Sonst wurden sie immer von Kassler Bürgern, die mehr an sich als an andere dachten, geklaut. Aber nicht so diesen Sommer. 100 Tage lang waren die Rosenbeete schärfstens abgesperrt. Eine dünne, orangefarbene Nylonschnur war in Hüfthöhe straff um die Beete gezogen. Komisch, dachte ich, wer speert denn Rosenbeete so ab? An einer Stelle hing ein gelbes Schild mit einem Blitz und einer Hand an der Absperrung. Verlegen die Stadtwerke Kassel etwa neuerdings Starkstromleitungen durch Rosenbeete? Schon war ich vorbei. Rein ins Johanneum und durcharbeiten in den zweiten Stock.

Von ganz hinten hört man einen tiefen Bounce. Wie von einer elektrisch verstärkten Bass Drum oder einer Roland TR 505. Ein fetter, satter Sound. Er vergiftet die stille Beschaulichkeit der präsentierten Kunstwerke, vorwiegend Selbstgebasteltes. Er gibt der Kunst den Rhythmus. 'You are a slave to the rhythm'. Wie ein Chronometer schlägt die Arbeit von Carl Michael von Hausswolf den Takt. Wie unfair gegenüber der stillen Beschaulichkeit des Selbstgebastelten! Wenn man sich nähert, entdeckt man, daß es keine drum machine ist, sondern ein schwarzes Kästchen mit zwei orangefarbenen Kabeln und einem Starkstromblitz obendrauf. Das ist das Herz der Anlage, die Pumpe, die den Strom durch die Kabel jagt. Dr. Housewolfe hat ihr das Stetoskop angelegt in Form eines Piezo-Mikrofons. Das kleine, schwarze Kontaktmikro überträgt den Herzschlag der Maschine zu einem Mischpult. Dort wird der Sound mit Hilfe eines Equalizers in seinen Höhen, Mitten und Bässen getunt und als line out an den Verstärker weitergeleitet. Dort stehen zwei schöne, schwere Stereoboxen, die den Sound fett und breit als tiefen, lauten Bass Bounce durch den ganzen Raum verteilen.

Wenn man die Kabel anlangt, kriegt man eine geschnalzt und zwar ganz saftig. Denn es handelt sich um eine elektrische Weidezaunanlage. Ein Kondensator lädt sich auf. Wenn er die nötige Spannung erreicht hat, entlädt er plötzlich seine gesamte Energie. Das ist der Sound, den man hört. Wenn man dann noch mit seinen Pfoten alles anfassen muß, kriegt man eine geschnalzt. Zusätzlich hat Housewolfe noch ein Treppchen installiert zum Aus-dem-Fenster-Gucken. Aha! Jetzt kapiert man, daß die Absprerrung der Rosenbeete eine ziemlich fiese ist. Wer versucht, eine Rose zu pflücken, bekommt eine gewischt. Oder ist die Umzäunung für die weidenden Rosen, damit sie nicht aus ihren Beeten abhauen? Sie ist wohl mehr für die Menschen, damit sie ihre Pfoten von den Pflanzen lassen. In diesem Sommer blühten die Rosen so schön wie nie zuvor.




 

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