Zur Geschichte der Netz.Kunst.
Problemstellungen, Stand der Dinge, Ausblicke


First Upload: 23.4.1998 Last update: 11.07.2001


1.Geschichte der Netzkunst

Die Geschichte der Netzkunst ist als eine spezielle Form allgemeiner Kunstgeschichte eingebettet in größere, allgemeinere Zusammenhänge, von denen sie abhängt und bedingt wird.

1.1. Geschichte des Internet (1968-1993)

vgl. dazu vom Verfasser: Browser; Buffer and Bitslag, Vorlesung 1

1.2. Geschichte der Telekommunikationskunst (1962-1990)

vgl. dazu Tilman Baumgärtel: Immaterialien. Zur Vor- und Frühgeschichte der Netzkunst

1.3. Geschichte des WorldWideWeb (seit 1993)

 

2. Methodische Ansätze zur Analyse und Beschreibung

Grundsätzlich lassen sich drei verschiedene Herangehensweisen unterscheiden: produktionsorientierte, werkorientierte und rezepzionsorientierte Ansätze

2.1. Produktionsorientierte Ansätze

Diese methodischen Ansätze äußern sich gegenwärtig in einer relativ umfangreichen Reihe von Interviews mit den Künstlern, die vor allem biographisch-intentional vorgehen

Es gibt im Prinzip zwei verschiedene Arten von Netzkünstlern:
a) solche, die vorher schon in anderen Medien arbeiteten und als Künstler im Kunstsystem bereits bekannt waren wie Julia Scher, Jenny Holzer, Antonio Muntadas, oder David Blair

b) Künstler, die bisher (fast) ausschließlich im Medium Internet gearbeitet haben: Joachim Blank, Holger Friese, Alexej Shulgin, Philipp Pocock, Dirk Paesmans/Joan Hemskeerk (jodi)

2.2. Werkorientierte Ansätze

2.2.1 Motivgeschichtlicher Ansatz

Untersuchung des Netzes nach verschiedenen Themengruppen: z.B. virtuelle Reisetagebücher, Verhältnis von realen zu virtuellen Territorien, Identität und Körper im Internet, virtuelle Gemeinschaften. Dieser Ansatz wurde jüngst von Tilman Baumgärtel versucht.

Tilman Baumgärtel: Das Internet als imaginäres Museum

2.2.2. Werkanalyse

Die kunsthistorische Werkanalyse ist immer noch das geeignetste und differenzierteste Instrument, eine päzise und genaue Auseiandersetzung mit dem spezifisch ästhetischen Funktionieren eines Web Art-Projektes aufzuzeigen.

Versuche des Verfassers: Strukturanalyse von www.jodi.org

Interpretation von www.antworten.de

Das Instrumentarium und das methodische Herangehen ist allerdings noch immer nicht ausgereift und sollte weiter entwickelt zu werden.

 

2.3. Rezeptionsorientierte Ansätze

2.3.1. Reaktive Werke

Definition: Der User kann sich nur durch Klicken und Scrollen durch das Projekt bewegen.

David Blair: Waxweb 3.0 (seit Jan. 1994)

Neue Version

Vera Frenkel: Body Missing (1996)

Oliver Frommel: Frames (Linz, Ars Electronica Center 1997)

Doug Aitken/Dean Kuipers: Loaded 5x (seit März 1997)

Alexej Shulgin: Refresh

 
2.3.2. Interaktive Werke

Definition: Der User kann durch Eingabeflächen , Java Applets oder CGI-Skripte den Server veranlassen, eine momentane Veränderung des Zustandes des jeweiligen Webprojektes zu veranlassen. Wenn der User aber die site verläßt, geht das Projekt wieder in seinen Ausgangszustand zurück. Die Veränderungen des Projektes sind also nur temporär.

Heath Bunting: Skint-Internet Beggar

Joachim Blank/Karl-Heinz Jeron: Good Browser/Bad Browser (1997)

Abbildung mit der Seite mit Mosaic Browser

Holger Friese/Max Kossatz: Antworten (seit 1.6.97)

 

2.3.3. Partizipative Werke

Definition: Der User kann durch a) Download, b) Bearbeiten ,c) Einsenden von Text, Bildern, Tönen, Filmen und /oder d) Steuern von Robotern zu einer dauerhaften Formveränderung des jeweiligen Projektes beitragen.

Douglas Davis: the longest sentence of the world (1994)

Jenny Holzer: Please Change Belief (Mai 1995)

Eva Grubinger: Netz-Bikini (The Thing, 1996, abgeschlossenes Projeckt)

Ed Stastny: Synergy-HyGrid-Projekt (seit Dezember 1995)

Joachim Blank/Karl-Heinz Jeron: without addresses (März 97 - 28.9.97)

 
2.3.4. Kontextsysteme

Definition: Dem User wird eine bestimmte, vorgestaltete Plattform oder ein Rahmensystem zur Verfügung gestellt, die er für seine eigenen Zwecke benutzen kann.


Man kann diese Kontextsysteme in Systeme unterscheiden, die verschiedene Veränderungen am Browser oder an der Software vornehmen oder den Usern ein Forum zur Gestaltung und aktiven Mitarbeit anbieten.

2.3.4.1 Netzwerke als Kontextsysteme

padeluun/rena tangens: BIONIC Mailboxsystem (seit 1989)

Interview von Tilman Baumgärtel mit padeluun und Rena Tangens

The Thing, New York (seit Nov. 1991 als Bulletin Board System)

Text über The Thing von Tilman Baumgärtel

De Digitale Staad Amsterdam (seit 15.1.1994, u.a. von Walther van der Cruissen mitbegründet)

Internationale Stadt, Berlin (1994 - 1.4.1998)

Public Netbase tO, Wien (März 1995 von Konrad Becker und Francisco de Sousa Webber gegründet)

2.3.4.2 Künstlerische Eingriffe in Browser und Software

Paul Garrin: name.space (seit Sommer 1996)

Interview von Pit Schultz mit Paul Garrin (13.3.97)

Interview von Geert Lovink mit Paul Garrin (nettime, 19.5.98)

Tilman Baumgärtel über Paul Garrins name.space-Projekt

I/O/D Web Stalker (seit 1.12.1997)

Abbildungen

 

2.4. Chronologisch-historische Analysen zur Netz.Kunst

Historische Recherchen zur Chronologie der Netzkunst-Projekte. Das Problem dabei ist, daß diese Geschichte ebenfalls eine bestimmte Ideologie von Originalität, von Vorläufern, Mitläufern und Nachläufern impliziert, also letztendlich eine konstatierende Kunstgeschichte bleibt, die das Politisch-Ideologische ausblendet. Dennoch ist sie für eine erste Datierung und chronologisierung äußerst wichtig.

Beispiel: ada'web, New York, e-mail v. 12.5.97; oder e-mail v. 12.1.1998

Denn immer noch schwirren falsche Angaben, die auf ungenauen Recherchen beruhen, im Netz herum.

Bsp.: Benim Karadeniz: Geschichte des Internet

3. Einzelfragen

3.1. Probleme der Netz-Zeit

download time, update time, creation time, die ästhetische Funktion der Statusleiste

3.2. Geschichte des Telefons

bandwith, Modem, ISDN, frühere Zugangsprobleme z.B. zum Datex-P-Netz

3.3. Probleme einer kunsthistorischen Einbettung: Ähnlichkeit und Differenz

Robert Adrian X hat einmal die verschiedenen Vorschläge, die bisher gemacht wurden, gesammelt: (in: net.art on nettime v. 11.5.97)
video , sculpture, telematic art, land art, installation art, mail art, experimental film, performance, conceptual art, electronic art, media art, minimal art, computer graphics, xerography

Ähnlichkeit hilft uns, Bezüge zur Tradition herzustellen, die Einbettung in historische Richtungen und Bewegungen vorzunehmen. Differenz hilft uns, die Unterschiede gegenüber anderen Medien wie Video oder CD-Rom schärfer herauszupräparieren und damit die wesentlichen Eigenarten von Netzkunst besser zu verstehen.

4. Fragen der Konservierung, Musealisierung und Ökonomisierung von Netzkunst

Sean Dodson: Fine art of browsing (Guardian online v. 29.7.99)

Elektronische Versteigerung der alten Seiten von The Thing, New York (30.4.99)

Zwei Artikel von Tilman Baumgärtel dazu:
Korrektur: Kunst-Website doch nicht verkauft (Telepolis v. 3.5.99)
Website- Auktion. The Thing unter dem Hammer (Telepolis v. 12.5.99)

Teo Spiller: Megatronix (für $500 an die Ljubliana Municipal Gallery verkauft)

Matthew Mirapaul: Putting A Price Tag on Digital Art (New York Cybertimes, 19.11.1998)

Matthew Mirapaul: The Year in Digital Art: Museums, Money and the Mainstream (New York Cybertimes, 31.12.1998)

Hans Dieter Huber: Netzkunst und die Sammeltätigkeit der Kunstmuseen (elektronisch publiziert am 7.2.1998)



Hans Dieter Huber